Wissenschaftliche Begleitung des Projekts „Fokus ISLEX“
Fokus ISLEX – Mobile Maßnahmen zur Prävention und Deradikalisierung im Niedersächsischen Strafvollzug und in der Bewährungshilfe
Hintergrund und Ziele des Projekts Fokus ISLEX
Das Modellprojekt Fokus ISLEX wird vom Träger Violence Prevention Network gGmbH umgesetzt und beinhaltet ein umfassendes Maßnahmenpaket der Prävention, Fortbildung, Intervention und Deradikalisierung im niedersächsischen Strafvollzug und in der Bewährungshilfe im Phänomenbereich des islamistischen Extremismus. Die Maßnahmen decken hierbei alle Phasen von „typischen“ Radikalisierungsprozessen ab und erstrecken sich von der Diagnostik über Interventionsmaßnahmen bis hin zur Reintegration und ggf. Ausstiegsbegleitung der betroffenen inhaftierten Personen
Schwerpunkte der wissenschaftlichen Begleitung durch modus|zad: Soziale Diagnostik
Die Beobachtung und Bewertung von individuellen Distanzierungsprozessen vom religiös begründeten Extremismus sind sowohl empirisch als auch theoretisch bislang unzureichend unterfüttert. Die Literatur zum Themenfeld unterteilt sich grob in die zwei Dimensionen „Risikoorientierung“ und „Ressourcenorientierung“. Während sich Beiträge der ersten Dimension vor allem auf sicherheitsrelevante Fragestellungen fokussieren, um abzuschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit (potentiell) radikalisierte Individuen zu Gewalt greifen, stellen Studien, die sich auf Ressourcen konzentrieren, Möglichkeiten und Bewertungen eines individuellen Veränderungspotentials in Sinne einer Distanzierung in den Mittelpunkt. Die dazu bisher entwickelten Instrumente sind zum einen nicht ausreichend validiert und zum anderen für die pädagogische Praxis der Präventions- und Distanzierungsarbeit nur begrenzt geeignet. Da positiv bewertete Ressourcen (Schutzfaktoren) kein Garant für die Loslösung von extremistischen Ideologien darstellen, scheint es zudem nötig, die Soziale Diagnostik um eine Dimension zu erweitern, die neben den Risiko- und Schutzfaktoren die individuell empfundene Qualität der Beziehung zur Welt einbezieht.
Ziel der wissenschaftlichen Begleitung war es, eine belastbare theoretische Rahmung, praxisnahe (Weiter-)Entwicklung und Implementation eines ganzheitlichen Diagnostikinstruments zu erarbeiten, das die Dimensionen Risiko, Ressourcen und Resonanz vereint und damit ein möglichst komplexitätsadäquates Bild individueller Abwendungsprozesse von extremistischen Akteur*innen abzeichnet.
Die Erträge der wissenschaftlichen Begleitung können in zwei Bereiche unterteilt werden: Zum einen beeinflusste die Soziale Diagnostik die praktische Beratungsarbeit in unterschiedlichen Facetten (Systematisierung, Handlungssicherheit und -fähigkeit, Dokumentation, Selbstreflexionsprozesse, Berichtsgrundlage, Methodenanwendung, etc.) positiv, zum anderen leistete sie einen Beitrag für die angewandte Distanzierungsforschung, indem der diagnostische Kreislauf implementiert und empirisch untersucht wurde. Erste theoretische Aufarbeitungen haben gezeigt, dass die Resonanztheorie auf unterschiedlichen Ebenen zur Weiterentwicklung und Fundierung der Sozialen Diagnostik beitragen kann. Das Wissenschaftsteam vom Violence Prevention Network gGmbH greift die gemachten Befunde auf und integriert sie weiterhin in das Diagnostikinstrument.