Level Up! Promising Practices: #VRSCHWRNG

Interview mit Sabine Ulmer und Carolin Sokele (Berghof Foundation)

Quelle: Berghof Foundation

Interview:

Modus: Im Rahmen des vom BMFSFJ geförderten Projektes Level Up! stärken wir Projekte und Träger, die im Bereich Extremismusprävention online intervenieren. Dabei beschäftigt uns zum Beispiel die Frage, welche Erkenntnisse der Präventionsarbeit ins Digitale übertragen werden können und an welchen Stellen in der hybriden Distanzierungsarbeit neue Ansätze entstehen sollten und wie diese aussehen können. Um das genauer zu beleuchten, sprechen wir mit Vertreterinnen der teilnehmenden Projekte. Wir freuen uns, dass auch das Projekt #vrschwrng Teil des Level Up! Netzwerks ist und uns heute Carolin Sokele und Sabine Ulmer über ihre Arbeit berichten. Willkommen Caro und Sabine.

Sabine Ulmer & Carolin Sokele: Hallo!

Modus: Bei #Verschwörung handelt es sich um ein Projekt der Berghof Foundation welches junge Menschen dazu anregt, sich kritisch mit dem Thema Verschwörungsserzählungen auseinanderzusetzen. Mit einem interaktiven Toolkit wendet ihr euch vor allem an Multiplikator*innen, d.h. Lehrkräfte, Sozialarbeiter*innen etc.. Zudem bietet ihr analoge Workshops für schulische sowie außerschulische Kontexte an. In eurem Projekt kombiniert ihr digitale Angebote mit analogen Formaten, um eine zielgruppengerechte Ansprache zu gewährleisten. Was spricht aus eurer Sicht allgemein dafür, Präventionsarbeit zunehmend digital bzw. hybrid zu denken?

Sabine Ulmer: Ja, gerade im digitalen Raum kommen Jugendliche mit Verschwörungserzählungen in Berührung. Dabei sind Plattformen wie Instagram, YouTube oder Telegram nur einige Beispiele für Kanäle, die im Alltag von Jugendlichen eine große Rolle spielen und über die sie mit verschwörungserzählerischen Inhalten konfrontiert werden. Und gerade deswegen ist es in unserer Präventionsarbeit wichtig, den digitalen Raum auch aktiv mit einzubeziehen. Konkret nutzen wir bei den Workshops Tablets, bei denen die Jugendlichen zum Beispiel interaktive Infografiken erkunden. Oder wir setzen uns mit ausgewählten realen Social-Media-Posts auseinander, die verschwörungserzählerische Inhalte verbreiten. Außerdem kann unser Produkt „Actionbound“ gespielt werden. Das ist ein Wissensquiz zu Algorithmen, sozialen Medien und bestimmten Plattformen. Unter anderem sind das die Bestandteile unseres interaktiven Toolkits. Die Workshops finden in der Regel in Präsenz statt, da wir den unmittelbaren Austausch der Jugendlichen für sehr wichtig halten. Diesen direkten Kontakt mit der Zielgruppe erleben wir als bereichernd für die Lernatmosphäre, sowohl für die Teilnehmenden untereinander als auch für die Workshopdurchführenden.

Modus: Könnt ihr bitte kurz erläutern, warum ihr Verschwörungsmythen als eine Herausforderung für junge Menschen im digitalen Raum anseht und warum die Bearbeitung des Themas so maßgeblich für die schulische und außerschulische Jugendarbeit ist.

Carolin Sokele: Jugendliche befinden sich in einer ganz sensiblen Lebensphase, insbesondere im Hinblick auf die Identitätsbildung. In dieser Zeit sind sie auf der Suche nach Orientierung und Werten. Und Verschwörungserzählungen, vor allem in unserer globalisierten und komplexen Welt, bieten eindeutige Erklärungen und teilen die Welt in ein einfaches Gut und Böse ein. Sie greifen dadurch die Gefühle von Ohnmacht und eben auch Unsicherheit auf. Und genau da möchten wir präventiv wirken und ansetzen und Jugendliche gegenüber solchen Inhalten unempfänglich machen. Aus unserer Sicht ist Prävention da sehr gefragt, denn wenn Personen ihr Weltbild einmal auf verschwörungserzählerische Inhalte aufgebaut und verfestigt haben, dann ist ein Debunking im Nachhinein nur noch sehr schwer möglich. Und deshalb ist die Präventionsarbeit, die ansetzt bevor sich ein solches Weltbild verfestigt hat, enorm wichtig.

Modus: Was würdet ihr sagen? Wie ist euer Projekt aufgebaut? Welche Formate habt ihr gewählt und wo ist die Verbindung zwischen digitalen und lokalen Ansätzen besonders gewinnbringend?

Sabine Ulmer: Das Herzstück unseres Projektes sind auf alle Fälle unsere Workshops. Und bei denen kommt unser Toolkit gegen Verschwörungserzählungen zu Einsatz. Das Toolkit selbst besteht aus verschiedenen Modulen. Z.B. vermitteln wir ein Grundwissen zu Verschwörungserzählungen, ebenfalls gibt es Module zu möglichen Gefahren oder Konflikte die durch Verschwörungsglauben entstehen können. Durch die Entwicklung der Lernmaterialien gemeinsam mit einer Peer Group, konnten wir ein Angebot schaffen, welches sich tatsächlich an der Lebenswelt der Jugendlichen orientiert. Die Workshops bieten wir in der Regel in Präsenz an, wobei wir darauf Wert legen ebenfalls digitale Lernmaterialien mit einzubeziehen. Aus unserer Projektperspektive ist der Nexus zwischen digitalen und lokalen Ansätzen dort gewinnbringend, wo Konflikte oder Konfliktpotenziale vom digitalen Raum ausgehen und sich dann in unserer analogen Welt manifestieren. Wir können beobachten, dass sich verschwörungserzählerische Inhalte, alternative Fakten oder Desinformationen aus dem Internet auf unser offline-Leben auswirken. Dies kann dazu führen, dass sich das Vertrauen in unsere Demokratie und ihre Institutionen und die Medien, verringert. Diese Dynamik konnten wir bereits bei Verschwörungserzählungen rund um Covid-Impfstoffe beobachten.

Modus: Nun hast du schon die Peers erwähnt. Ihr habt für die Erarbeitung der Projektinhalte einen Peer-to-Peer-Ansatz verfolgt. Inwieweit konntet ihr Peers einbeziehen und inwiefern konntet ihr daraus einen Mehrwert für das Projekt feststellen?

Carolin Sokele: Die Module unseres Toolkits wurden in Zusammenarbeit mit Studierenden der Universität Tübingen entwickelt, im Rahmen eines Seminars das wir angeboten haben. Auch die Workshops werden von unseren Teamer*innen durchgeführt, die sozusagen als Peer-Teamer*innen der Lebenswelt der Jugendlichen sehr nahe stehen. Bisher haben wir ca. 30 Teamer*innen insgesamt ausgebildet. So stellen wir sicher, dass sich die Inhalte von #Verschwörung auch wirklich an der Zielgruppe und deren Lebenswelt orientieren. Durch die Zusammenarbeit mit den Peers haben wir wertvollen Austausch, Kontakte und hilfreiche Anregungen bei der Materialkonzeption bekommen. Beispielhaft wissen wir durch die Peers von relevanten Influencer*innen, bestimmten Filmtrailern oder auch Trends die bei Jugendlichen beliebt sind. Dieses Wissen ist für die Vermittlung unserer Inhalte enorm wichtig und eignet sich sehr gut für die Dissemination.

Modus: Abschließend würde mich noch interessieren, welches Feedback ihr bisher von den Teilnehmenden bekommen habt?

Sabine Ulmer: Von den Jugendlichen bekommen wir die Rückmeldung, dass sie sich in ihren Themen und Fragen ernst genommen fühlen. Und das ist genau unser Ansatz, bei den Workshops beziehen wir die Anliegen der Teilnehmenden aktiv ein. Dies gelingt uns, indem die Teilnehmenden den Workshop selbst mitgestalten können, sodass es wirklich ihr Workshop ist. Bspw. hat eine Schülerin einmal das Feedback gegeben, dass sie es schön fand, dass auf keine Musterlösung hingearbeitet wurde. Es zählen also wirklich die Beiträge der Jugendlichen über die wir dann ins Gespräch kommen möchten. Aber auch methodisch, zum Einsatz der Tablets und der interaktiven und multimedialen Lernmaterialien bekommen wir positives Feedback. Diese Methodik wird oft als eine willkommene Abwechslung zum regulären Schulalltag wahrgenommen.

Modus: Super. Dann vielen Dank euch beiden für eure Zeit und die spannenden Einblicke. Und wir freuen uns natürlich noch in Zukunft auf weitere spannende Projekte mit euch!

Sabine Ulmer: Ganz herzlichen Dank für die Einladung!

Das Projekt LevelUp! wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.