Level Up! Promising Practices: „Good Gaming – Well Played Democracy“
23.2.2023Interview mit Mick Prinz (Amadeu Antonio Stiftung)
Interview:
Modus: Im Rahmen des vom BMFSFJ geförderten Projekts Level Up! stärken wir Projekte und Träger aus dem Bereich Extremismusprävention, die online intervenieren. Dabei beschäftigt uns zum Beispiel die Frage, welche Erkenntnisse der Präventionsarbeit ins Digitale übertragen werden können, an welchen Stellen in der hybriden Distanzierungsarbeit neue Ansätze entstehen sollten und wie diese aussehen können. Um das genauer zu beleuchten, sprechen wir mit Vertreter*innen der teilnehmenden Projekte. Wir freuen uns, dass auch das Projekt „Good Gaming – Well Played Democracy“ Teil des Level Up! Netzwerks ist und uns heute Mick über deren Arbeit berichtet. Willkommen, Mick.
Mick: Hallo Michael, schön, dass du mich eingeladen hast. Vielen Dank.
Modus: Mick, „Good Gaming – Well Played Democracy“ ist ein Projekt der Amadeu Antonio Stiftung, das die verschiedenen Facetten von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auf Gaming Plattformen thematisiert und eine starke Zivilgesellschaft an diesem immer beliebter werdenden digitalen Freizeitort fördert. Im Rahmen des Projekts erstellt ihr inhaltliche Monitorings, bietet Weiterbildungen an und seid zudem als sogenannte Digital Streetworker*innen unterwegs. Dabei werdet ihr innerhalb der Gaming-Communities aktiv, setzt euch für einen diskriminierungsfreien und konstruktiven Umgang miteinander ein und beratet Hilfesuchende.
Halb Deutschland zockt: Bis zu 43 % der Deutschen spielen regelmäßig Video- und Computerspiele und verbringen einen beachtlichen Teil ihrer Freizeit online bzw. mit digitalen Angeboten. Dabei spielen auch die entsprechenden Communities auf den verschiedenen Plattformen eine gesonderte Rolle. Was spricht deiner Meinung nach dafür, genau an einem solchen digitalen Freizeitort als politisches Bildungsprojekt anzusetzen? Und wie gelingt es an einem Ort, der für viele vor allem für Eskapismus steht, junge Menschen für gesellschaftspolitische Botschaften zu sensibilisieren?
Mick: Das ist eine sehr gute Frage, die wir uns natürlich regelmäßig stellen: Wie können wir überhaupt unsere Zielgruppe erreichen? Wie können wir junge Gamer*innen erreichen, Gaming Communities erreichen, E-Sport Organisationen erreichen, sich überhaupt mit politischer Bildungsarbeit in diesem Feld zu beschäftigen? Ich glaube, eine wichtige Antwort ist, dass Gaming ein großer Interaktionsraum geworden ist. Gaming bedeutet nicht nur vor dem Rechner zu sitzen und ein bisschen zu zocken, sondern meistens interagiert man mit anderen in dem Voice-Chat im Spiel selbst oder über Plattformen wie Discord. Viele Leute streamen sich auch, während sie spielen, laden das dann auf Twitch hoch und kommunizieren in der Kommentarspalte. Was ich sagen will: Gaming boomt nicht nur als Eskapismusfeld, sondern es boomt auch als Interaktionsraum.
Wir sehen, dass über ganz verschiedene Dinge gesprochen wird. Es geht nicht nur darum, wie man League of Legends oder bei Rocket League oder bei Velofanti die Partie gewinnen kann, sondern es wird auch über ganz verschiedene politische Themen gesprochen. Beispielsweise über das neue Harry Potter Spiel und inwiefern man J.K. Rowling und ihre transfeindlichen Aussagen damit supportet, wenn man sich dieses Spiel kauft. Oder es wird über die Maskenpflicht diskutiert und inwiefern die jetzt kippt. Oder über die WM in Katar. Es gibt kaum ein Thema, das nicht in Gaming Communitys behandelt wird. Wir haben deswegen beschlossen, dass es ein Feld ist, in welchem auch politische Bildungsarbeit funktionieren kann, zumal es eine große Leerstelle und den Bedarf gibt. An vielen Stellen ist es gar nicht so einfach, weil es natürlich auch die Gamer* innen gibt, die sagen: „Haltet doch jetzt mal politische Debatten fern von dem ganzen. Ich will doch hier nur den Kopf ausmachen und mich berieseln lassen.“ Es gibt aber auch viele Communities, die total viel Bock haben, über diese Inhalte zu sprechen.
Bei “Good Gaming – Well Played Democracy” machen wir das ein stückweit in einer Dreiteilung. Wir bieten zum Beispiel Workshops an für Gamer*innen. Das können Gaming Clans sein, die sich an uns wenden und sagen: „Hey, wir haben Lust darüber zu sprechen, wie politisch Videospiele überhaupt sind und wie viele Stereotypen in Videospielen vorkommen.“ Oder die mit uns darüber sprechen wollen, wie man eigene Discord Server moderieren kann. Das kann aber auch eine Streamerin sein, die mit uns diskutieren möchte, wie problematisch das neue Hogwarts Legacy möglicherweise ist, das Anfang Februar erscheinen wird. Darüber hinaus kann es auch ein Lehrer*innenverband sein oder Sozialarbeiter*innen, die noch gar keine Ahnung von Gaming haben und erst mal die Basics zu dem ganzen Thema wissen wollen. Genau, das sind die Einrichtungen, in die wir gehen Gleichzeitig generieren wir auch relativ viel Content, der über dieses Thema berichtet, zum Beispiel in Form von Publikationen. Wir sind in Podcasts zu Gast, wie jetzt gerade. Wir sind auch bei Streamer*innen gewesen, zum Beispiel bei der guten „Freiraumreh“, mit der wir dann über Neonazis auf der Plattform Steam gesprochen haben. Es gibt hier ganz verschiedene Möglichkeiten, erstmal eine Öffentlichkeit für dieses Thema zu generieren und Wissen weiterzugeben.
Der dritte Bereich, den du gerade auch schon angesprochen hast, das ist dieses Digital Streetwork. Klingt erstmal ganz schön fancy, ist auf den zweiten Blick aber eine Verlagerung von analoger Sozialarbeit, Straßensozialarbeit in den digitalen Raum. Das heißt, wir gehen vor allem auf Twitch in die Kommentarspalten von großen Streamer*innen und sprechen da nicht mit Hardcore Neonazis, sondern mit den Leuten, bei denen wir merken, dass vielleicht ein antisemitisches oder rassistisches Einstellungsmuster vorhanden ist. Wir gehen dann in den Austausch und versuchen, das ein Stück weit aufzudröseln. Diese drei Bereiche sind unser Weg, wie wir politische Bildungsarbeit ins Gaming bringen. Ich glaube, es ist total wichtig das zu tun, vor allem da es diesen riesigen Bedarf gibt.
Modus: Sehr spannend. Für den Bereich der Präventions- und Extremismusarbeit ist vor allem Vertrauen ein hohes Gut. Kannst du erläutern, was für datenschutzrechtliche Maßnahmen und Schutzmechanismen ihr für eure Aktivitäten im Bereich des Digital Streetwork trefft, also vor allem für die User*innen und für eure pädagogischen Mitarbeiter*innen?
Mick: Ich versuche vielleicht erst einmal kurz, das Digital Streetwork nochmal ein bisschen plastischer zu erklären. Es ist so, dass wir bei uns im Team mehrere Sozialarbeiter*innen haben, die auf die entsprechenden Plattformen gehen, und zwar mit ganz klaren Standards. Wir machen das also nicht irgendwie, sondern wir orientieren uns an den Standards, die auch schon im Analogen in den letzten 20, 30 Jahren funktioniert haben. Das heißt, für uns ist ganz wichtig – vor allem wenn wir mit diesen „toxischen User*innen“ in den Austausch gehen – dass Freiwilligkeit vorherrscht. Wir wollen niemandem unsere Meinung aufzwingen, wir wollen auch niemanden zu einem Gespräch oder Austausch nötigen. Das heißt, Freiwilligkeit ist das oberste Gut, genauso wie die Devise, unsere Meinung anderen Leuten nicht aufzuzwingen.
Wir haben Lust, über Themen zu diskutieren und natürlich letztlich auch über gewisse Mechanismen, Hebel in Gang zu setzen. Aber ohne dass wir mit dem Holzhammer rangehen und unsere Meinung anderen Leuten aufzwängen, wie bei der Sozialarbeit auch. Es ist ein Austausch auf Augenhöhe. Es ist uns ganz wichtig, dass wir nicht von oben herab mit Leuten sprechen und gleichzeitig gehen wir sehr offen in diese Diskussionen Online. Wir sagen also: „Wir sind Sozialarbeiter*innen und haben Lust, mit dir über dieses Thema zu sprechen. Hast du daran auch Interesse?“ Das heißt, wir arbeiten nicht mit irgendwelchen ominösen Fakeprofilen und versuchen dann irgendwie Leute in Gespräche zu verwickeln, sondern machen das transparent. Dazu nutzen wir eigene Digital Streetwork Accounts und haben feste (Arbeits-)Zeiten zu denen wir den Austausch anbieten. Das ist ein Schutzmechanismus für unsere Mitarbeitenden, damit diese Arbeit für sie nicht entgrenzt ist. Leute sollen zu festen Zeiten erreichbar und ansprechbar sein.
Gleichzeitig muss es einen Punkt geben, wo sowohl unsere Kolleginnen als auch die Leute, die selbst auf der Plattform aktiv sind, eine gewisse Pause bekommen und auch mal abschalten können von den Themen. Mit Blick auf Datenschutz ist zudem ganz wichtig, dass wir Daten anonymisieren. Das heißt, wenn wir einen spannenden Fall haben, den wir möglicherweise im Interview oder im Podcast oder in einem Workshop verwenden, anonymisieren wir natürlich die Daten von unseren Klient*innen, um die Personen nicht „bloßzustellen“, mit denen wir eine spannende Diskussion hatten. Für uns ist letztendlich wichtig, dass es Standards gibt, dass es bei Digital Streetwork ähnlich zugeht, wie beim analogen Streetwork und dass hier die Freiwilligkeit ganz dick unterstrichen wird.
Modus: Okay, Du hast ja vorhin schon mal kurz das Thema Influencer*innen angesprochen. Wie schafft ihr es, auch Influencer*innen im Gaming Sektor für gesellschaftspolitische Themen zu sensibilisieren? Und vielleicht hast du auch ein paar positive Beispiele von Personen, die ihren Einfluss eben mit einer klaren Haltung verbinden.
Mick: Erst mal ist es total erfreulich, dass immer mehr Gaming-Influencer*innen sich mit politischen Themen beschäftigen. Es ist mir zumindest in den letzten Jahren aufgefallen, dass wir immer mehr sehen, dass auch zu politischen Themen Streams entstehen oder YouTube Videos hochgeladen werden, die eine bestimmte Haltung transportieren. Das ist natürlich nicht bei allen Leuten so. Es gibt auch viele Streamer*innen, die ganz bewusst sagen: „Puh, wir wollen die Politik aus unserem Stream fernhalten oder wir wollen gewisse politische Themen vielleicht auch nicht ansprechen.“ Vielleicht auch, weil diese Leute selber keine Ahnung von den Themen haben bzw. das ist natürlich ihr gutes Recht. Ich finde es dann aber schön, wenn man zumindest sagt: „Hey, ich schaffe hier einen Safe Space, wo nicht diskriminiert wird, wo andere Leute nicht in meinem Twitch-Chat angefeindet werden oder wo ich als Streamer*in natürlich auch keine anderen Menschen anfeinde.“ Das sollte Konsens sein, an dem sich Streamer*innen orientieren und es klappt bei vielen, aber eben leider nicht bei allen.
Wir sehen, dass es Streamer*innen gibt, die sich problematischer äußern, gleichzeitig gibt es ganz viele tolle Menschen, die politische Formate zum Beispiel auf Twitch entwickeln. Du hast gerade nach Beispielen gefragt: Eine Person, die ich hier auf jeden Fall empfehlen möchte, ist die gute Shurjoka, Pia. Sie hat auf Twitch regelmäßig politische Talks, dann wird aber auch wieder ein Strategiespiel gespielt in welchem sie beispielsweise darüber spricht, wie marginalisierte Gruppen von Diskriminierung betroffen sind. Sie nimmt eine ganz starke Ally-Position ein, stellt sich also vor, neben und hinter Betroffene und gibt ihnen eine Stimme. Ich habe schon das Harry Potter Spiel angesprochen: dazu lädt sie viel Content hoch und betreibt Aufklärungsarbeit. Es gibt darüber hinaus andere tolle Menschen, wie zum Beispiel „Freiraumreh“. Von ihr habe ich schon kurz gesprochen, als es in ihrem Talk um Neonazis auf Steam ging. Das war besonders spannend, weil eine ganz andere Community erreicht wurde.
Auf der anderen Seite gibt es große Gaming-Streamer, wie zum Beispiel „HandOfBlood“ oder „Kalle Kosinski“, die sich nicht zu politischen Themen äußern möchten, aber z.B. Diablo2 streamen, ein Spiel von einem Studio, das nicht ganz unproblematisch ist. Gegen das Entwicklerstudio des Spiels wurden in den letzten Jahren starke Sexismusskandale gerichtet. Die beiden besagten Influencer streamen das Spiel nicht nur, sondern berichten auch über die sexistischen Vorfälle oder über sexualisierte Gewalt gegen Frauen in der Gaming Welt. Und das finde ich auch einen schönen Mittelweg, sich darüber im Klaren zu sein, dass man nicht über alles sprechen kann, aber man gewisse Themen anpacken und zumindest einordnen sollte. Diese Beobachtung kann ich im Gaming immer mehr beobachten, leider nicht an allen Stellen, aber glücklicherweise immer häufiger.
Modus: Was würdest du sagen, sind für dich oder für euch die vielleicht spannendsten Erkenntnisse eures inhaltlichen Monitorings in Bezug auf das Phänomen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und Gaming. Also was sollte wirklich jeder und jede darüber wissen?
Mick: Das ist eine Riesenfrage, die ich jetzt versuche möglichst zu komprimieren und runterzubrechen. Also, wir gucken uns ja vor allem Neonazis auf Gaming Plattformen an. Wir starten meistens mit einer Einordnung und sagen: „Ja, es gibt Neonazis im Gaming“. Und das ist auch nicht überraschend, weil es Neonazis in unserer Gesellschaft gibt. Und natürlich nutzen Neonazis die Räume, wo man ihnen nicht die Tür vor der Nase zuschlägt, was häufig Gaming Plattformen sind. Das kann Steam oder Discord sein, es kann eine Plattform wie Roblox sein, wo sich rechtsextreme Strukturen bilden. Das ist leider nicht überraschend, weil es nunmal toxische und menschenverachtende Aussagen in unserer Gesellschaft gibt. Trotzdem dürfen wir nicht den Fehler machen, wenn wir jetzt zum Beispiel über diese laute Minderheit an Neonazis im Gaming sprechen, diese Gruppe stellvertretend für die gesamte Gamingcommunity darzustellen. Das ist der erste Appell, den ich Leuten mitgebe: Denn wenn ich über viele negative Entwicklungen im Gaming spreche, klingt das manchmal so, als ob die Gaming-Welt eine ganz furchtbare sei, als ob es hier nur Mist gäbe. Und das ist definitiv nicht der Fall. Es gibt in diesem Bereich sehr schöne, positive Entwicklungen, wie wir sie gerade auch schon mit den Influencer*innen angesprochen haben.
Aber mit Blick auf negative Erfahrungen muss man sagen, dass es z.B. gar nicht so viele eindeutige hardcore Neonazi-Games gibt und die wenigen haben glücklicherweise keine starke Reichweite. Problematischer sind die Gaming Plattformen selbst oder was auf ihnen passiert: es bilden sich rechtsextreme Gruppen und irgendwelche Wehrmacht-Fangruppen oder es warden zu vorhandenen Spielen (vor allem zu Strategie- und Shooterspielen), Modifikationen hochgeladen, in denen man dann Hitler oder die Waffen-SS spielen kann. Da gibt es extrem viel Mist, den wir beobachten. Aus unserer Erfahrung instrumentalisieren Neonazis Gaming aus drei primären Gründen. Zum einen möchten sie sich vernetzen; Gamingräume sind häufig nicht so stark moderiert und es findet wenig Gegenrede statt.
Deswegen sind Gaming-Räume Orte, wo sich rechtsextreme Gruppen vernetzen und austauschen können, da sie es an anderen Stellen vielleicht nicht mehr so intensiv können. Der zweite Grund wäre, dass Neonazis den Gaming Bereich nutzen, um zu mobilisieren. Gar nicht unbedingt, um neue Leute zu rekrutieren, sondern eher, um die eigene Ingroup wieder zu aktivieren, zum Beispiel die Kameraden, die wieder aktiv werden sollen, indem man irgendwelche patriotischen E-Sport Turniere organisiert oder dergleichen. Und der dritte Grund ist die sogenannte „Metapolitik der Neuen Rechten“, die wir auch im Gaming sehen. Damit ist gemeint, dass man Videospiele und ihre Plattformen nutzt, um Ideologie und Narrative weiterzugeben. Und das funktioniert durch so etwas wie Modifikation. Das funktioniert aber auch durch Gruppenund durch einzelne Phrasen, die in Videospiel-Chats geteilt werden.
Eine weitere Erkenntnis bzw. eigentlich die Haupterkenntnis ist, dass Neonazis da, wo man ihnen nicht die Tür vor der Nase zuschlägt, ihre Ideologiefragmente verbreiten. Deswegen ist es so wichtig, dass gerade Gaming Plattformen stark gegen rechtsextreme Tendenzen vorgehen. Und das muss immer mehr passieren, z.B. auch von Seiten der Gamer*innen. Glücklicherweise sehen wir auch positive Entwicklungen, dass es Community-Standards und aming-Communities gibt, die eine klare Haltung haben gegenüber Neonazis. Aber trotzdem sehen wir, dass es Plattformen gibt wie Steam, eine Plattform, die von ganz vielen Gamer*innen genutzt wird, wo wir wahnsinnig viel rechtsextremen Inhalt sehen. Zuletzt ist es wichtig zu betonen, dass es einer objektiven Einordnung bedarf und nicht Gaming mit Rechtsextremismus gleichgesetzt werden kann.
Modus: Ja, absolut. Jetzt haben wir vorhin schon mal über Datenschutz und Schutzmechanismen gesprochen. Welche Bedingungen schafft ihr denn für die Sicherheit eurer Mitarbeitenden, die online aktiv sind?
Mick: Das möchte ich etwas kryptischer beantworten, den Sicherheit funktioniert am besten, wenn man nicht allzu viel über interne Sicherheitsvorkehrungen informiert. Wir haben diverse Sicherheitsvorkehrungen für unsere Mitarbeitenden getroffen, sodass sie auch im Netz besser geschützt sind. Aber was wir vor allem leisten, ist eine Begleitung von unseren Kolleg*innen, die in dem Feld aktiv sind. Das heißt, wir bieten bei uns im Team Intervisionen an, bei denen wir uns als Team oder auch teamübergreifend mit Kolleg*innen zusammensetzen und ganz intensiv über diese Inhalte sprechen.
Als Beispiel: Wenn es mal einen grausigen Artikel über einen von uns gibt, dann ist es auch klar, dass wir den nicht als erste*r lesen, sondern dass ihn erst Kolleg*innen scannen und dann sagen: „Das ist der Inhalt, hast du Bock, das zu lesen?“ Das ist eine Form von Selbstschutz, digitalem Selbstschutz, den wir stärker forcieren. Und was wir auch haben, ist die Möglichkeit, Supervision zu nutzen, dass wir also die Möglichkeit haben, mit zum Beispiel professionellen Psycholog*innen über digitalen Hass und Anfeindungen zu sprechen. Das ist extrem wichtig. Wenn wir uns zum Beispiel solche Dinge angucken wie Manifeste von Rechtsterroristen oder Videos von Rechtsterroristen, die oft natürlich Dinge mit uns machen und die uns nicht kalt lassen. Das wäre auch schlimm, wenn sie das tun würden. Da ist uns ganz wichtig, dass wir für unsere Kolleg*innen Möglichkeiten schaffen, sich über diese Dinge in einem professionellen Rahmen austauschen zu können.
Modus: Was würdest du sagen? Inwieweit seht ihr Spieleentwickler*innen und Betreiber*innen von Online Gaming Plattformen in der Verantwortung, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vorzugehen?
Mick: Ich glaube, Spieleentwickler*innen und Plattformen sind zwei Akteur*innen, die hier auf jeden Fall aktiver werden müssen. Aber es sind eine ganze Reihe von Schrauben, an denen gedreht werden muss. Auch Videospieler*innen, habe ich ja gerade schon gesagt, müssen viel stärker zum Beispiel die Meldefunktion nutzen. Viele Videospieler*innen gucken immer noch weg, wenn hasserfüllter Mist gepostet wird oder ableistische, sexistische, rassistische Chatnachrichten durch irgendwelche Ingame-Chats fliegen. Auch da muss unbedingt mehr passieren. Aber vor allem sind es Plattformbetreibende, die hier ordentlich moderieren müssen. Es gibt Plattformen wie Discord oder Twitch, die sich zumindest phasenweise um Moderation bemühen. Gerade Discord war vor ein, zwei Jahren noch viel schlimmer als jetzt, was rechtsextreme Server angeht.
Es gibt dort immer noch problematische Server, aber es wird weniger. Das Hauptsorgenkind ist Steam, weil die Plattform einfach wahnsinnig viele dieser problematischen Gruppen beinhaltet. Und da würde ich mich wahnsinnig freuen, wenn Unternehmen ihrer Pflicht besser nachkommen würden, demokratische Inhalte und marginalisierte Gruppen stärker zu schützen oder wenn sie das zumindest als Pflicht verstehen würden. Man muss dazu sagen, es ist keine Pflicht, für so eine Moderation zu sorgen, weil viele Gesetze immer noch Gaming-Communities oder Gamingplattformen ausklammern. Sie werden nicht in Gesetzestexten erwähnt. Aber ich fänd es schön, wenn wir die Plattformen marginalisierte Gruppen in Schutz nehmen und stärker rechtsextreme Dinge moderieren. Und da muss halt noch viel passieren. Gerade, wie gesagt, Steam ist ein grausiges Beispiel.
Du hast auch über die Spieleentwickler*innen gesprochen und hier muss ich sagen, würde ich auch sagen, dass hier eine Haltung stärker forciert werden sollte. Ich würde mal ein Positivbeispiel nennen, wo das jetzt in den letzten Jahren in meinen Augen ganz cool funktioniert hat. Das wäre das Studio CD Projekt RED. Das ist ein polnisches Studio, das bekannt ist für die Witcher-Reihe oder auch für das vor zwei Jahren erschienene Cyberpunk. Das ist ein Studio, das eine ganz starke Haltung zum Beispiel für die LGBTQI+ Community an den Tag legt. Sie haben zum Beispiel nicht nur Postings dazu formuliert auf Twitter, sondern auch bei Instagram Bilder geteilt, wo sie auf Demos in Polen unterwegs sind. Das finde ich total toll, wenn ein Studio zeigt „Hey, wir transportieren nicht nur Werte in unseren Spielen.“ Weil zum Beispiel auch Cyberpunk sehr viele politische Inhalte mit aufgreift oder auch Witcher 3 mit Blick auf sexualisierte Gewalt usw. Funktioniert nicht an allen Stellen gut, aber an vielen und ich finde es schön, wenn so Studios wie das Project White dann eben eine Haltung an den Tag legen.
Erschreckend ist dann aber auch immer wieder zu sehen, wie toxische Communitys darauf reagieren. Gerade bei diesen Demonstrationspostings haben wir Kommentare gesehen wie „Gerade von euch hätten wir das ja als polnisches Studio nicht gedacht“ oder „Eure Spiele, werden wir jetzt boykottieren“ oder „Macht doch mal mehr Games und weniger Politik“ und dergleichen. Wir sehen also auch, dass diese politischen Statements nicht immer nur zu einem positiven Echo bei den Communities führen, was natürlich sehr schade ist. Deswegen auch hier mein Appell: auch Videospieler*innen müssen mehr Gegenrede leisten.
Modus: Super, Mick, vielen, vielen Dank für deine Zeit und die spannenden Einblicke in euer Projekt. Und wir freuen uns natürlich noch, in Zukunft einige spannende Projekte zusammen mit euch zu machen. Bis bald.
Mick: Bis bald. Vielen Dank für die Einladung.
Das Projekt LevelUp! wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.