Level Up! Promising Practices: Digital Streetwork Kanal „pre:bunk“

Interview mit Theresa Lehmann und Michelle Pantke (Amadeu Antonio Stiftung)

In eurem Projekt „pre:bunk“ geht es darum, jungen Menschen dabei zu helfen, verschiedene Informationen und Meldungen auf Social Media einzuordnen. Dafür habt ihr einen TikTok Account aufgemacht, auf dem ihr mit Jugendlichen ins Gespräch kommen wollt. Hier finden sich viele Aufklärungsvideos, die das ansprechen, was junge Menschen und uns als Gesellschaft bewegt. Wie entscheidet ihr, welche Themen ihr ansprecht? Greift ihr Hinweise aus der Community auf? Oder reagiert ihr auf Trends, die ihr selbst wahrnehmt?

Theresa Lehmann: Mit pre:bunk testen wir Digital Streetwork im audiovisuellen Format. Das ist ein Modellprojekt, gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung. Ziel der Ansprachen ist es, jungen Menschen dabei zu helfen, sich auf TikTok medienkompetent zu bewegen, im Falle akuter Krisen Hilfestellungen zu bieten und der Verbreitung von Desinformationen präventiv entgegenzuwirken. Prebunking gibt also den Rahmen vor für die Themensetzung des Kanals.

Michelle Pantke: Wir reagieren auf Themen, die vorgeschlagen werden, und auf Fragen, die gestellt werden, aber überlegen uns die Videos häufig auch nach eigenem Interesse. Mit Hinblick auf unseren Themenschwerpunkt schauen wir natürlich zu welchen Themen aktuell wieder viel Desinformation kursiert und versuchen unser Angebot darauf zu münzen, wo wir Bedarfe sehen, die mit dem Prebunking Ansatz bedient werden können. Wir fordern die Zuschauenden aber auch auf, in den Kommentaren Themen vorzuschlagen, zu denen sie gerne Videos sehen würden. Um die aktuellen Trends auf der Plattform mitzubekommen, benötigt es eine regelmäßige Recherche und ein gewisses Know-how, wie TikTok funktioniert. Nur so ist es uns möglich, lebensweltorientiert und nah an der Zielgruppe zu agieren und so auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Trends bekommen wir in der Regel selbst mit und entwickeln daraus dann die Videoideen, dabei muss man allerdings recht schnell sein, bevor das Thema schon von zig anderen Leuten behandelt wurde und es dann nicht mehr so viele Leute interessiert.

Was ist das Wichtigste, worauf ihr bei der Kommunikation und Interaktion mit euren User:innen achtet?

Michelle Pantke: Wir achten darauf, dass der Umgang miteinander stets respektvoll ist und dulden keine antisemitischen und rassistischen Inhalte, Beleidigungen und Hate Speech in unseren Kommentaren. Um dem ein bisschen vorzubeugen haben wir auf unserem Account auch ein Video zur Netiquette, die erklärt, was für einen Umgang wir uns wünschen und welche Art von Kommentaren von uns nicht geduldet werden. Kommentare können auch mal ein bisschen lustig sein, wenn der Ton des Originalkommentars in eine solche Richtung geht. Es soll halt ein lockerer Umgang miteinander sein, der dennoch höflich bleibt. Man muss sich da an die Sprache und den Ton der Nutzer*innen der Zielgruppe anpassen, es sollte offen und sympathisch klingen, aber dennoch distanziert genug, dass es weiterhin professionell bleibt.

Theresa Lehmann: Neben der Augenhöhe und Niedrigschwelligkeit ist es uns wichtig nicht nur auf die Faktenebene einzugehen. Das unterscheidet uns von Faktencheck Ansätzen. Wir ergänzen mit einem Angebot auf emotionaler Ebene und gehen auf Emotionen ein, wie Wut, Überforderung und Angst.

Musstet ihr schon einmal Kommentare löschen?

Michelle Pantke: Es kam schon ein paar Mal vor, dass wir Kommentare löschen mussten. In den Fällen handelte es sich um Personen, die antisemitische Verschwörungserzählungen in den Kommentaren ausgepackt haben. Wenn dann nach dem ersten Kommentar von uns weiterhin derartige Sachen gepostet werden, werden diese Inhalte gelöscht.

Was war eine Interaktion, die ihr als besonders gewinnbringend empfunden habt?

Theresa Lehmann: Wir sind aktuell noch dabei, unser Angebot bekannter zu machen. Hierfür ist es wichtig, Vertrauen aufzubauen und regelmäßige Präsenz zu zeigen. Dies möchten wir 2024 noch weiter ausbauen. Aktuell sind wir über jede Frage, jede Diskussionsmöglichkeit und jedes konstruktive Feedback froh, denn es zeigt uns, dass unsere Hilfestellungen angenommen werden. Im Gegensatz zu Propagandisten und Antidemokraten arbeiten wir nicht mit emotionaler Überwältigung, reißerischen und populistischen Mitteln, was auf TikTok ganz besonders gut angenommen wird. Wir versuchen, als gutes Beispiel zu dienen, geben Quellen an und versuchen Zugänge zu schaffen, um Misstrauen und den kritischen Blick junger Menschen, die ja per se erstmal nicht problematisch sind, zu kanalisieren und Zugänge zu schaffen, wie diese als Teil einer demokratischen Zivilgesellschaft konstruktiv eingesetzt werden können. Da sind wir auf den ersten Blick vielleicht erstmal im Nachteil zu den Phänomenen, die wir auf TikTok mit Sorge beobachten, aber das ist die falsche Betrachtungsweise. Denn mit unserem Angebot erreichen wir mehr junge Menschen, die mit analogen Angeboten nicht erreicht werden. Wir befinden uns also grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zwischen pädagogischen Handlungskriterien und Plattformlogik bzw. Aufmerksamkeitsökonomie. Unser Ziel ist es bald auch Livestreams anzubieten, um unsere Angebotspalette noch zu erweitern, dafür brauchen wir 1000 Follower*innen.